Pinneberg und der Nationalsozialismus
Sehenswerte Ausstellung der Geschichtswerkstatt
Pinneberger Zeitung, 8.9.1998
kol Pinneberg — Nationalsozialismus in Pinneberg: ein dunkles, ein problematisches Kapitel der Stadtgeschichte. Und ein Kapitel, an das sich bisher niemand herantraute. Die neun Mitglieder starke Geschichtswerkstatt der Pinneberger Volkshochschule hat es es getan. Zwei Jahre lang haben die Hobby-Historiker akribische Forschungsarbeit betrieben, Zeitzeugen interviewt, Archive und Akten durchwühlt. Herausgekommen ist die großartige Ausstellung „1933 — 1945 — Pinneberg zur Zeit des Nationalsozialismus“, die noch bis zum 15. November im Stadtmuseum, Dingstätte 25, zu sehen ist. Der Eintritt ist natürlich frei.
„Es gibt eine Menge Literatur zur regionalen Geschichte, aber die lokale Geschichte ist in Sachen Nationalsozialismus weitgehend unerforscht“, erläuterte VHS-Chef Wolfgang J. Domeyer, der auch Mitglied der Geschichtswerkstatt ist, während der Ausstellungseröffnung. Er berichtete von den Widrigkeiten, die sich seinen Mitstreitern in den Weg stellten: „Die Quellenlage aus dieser Zeit ist denkbar ungünstig. Bevor die britischen Truppen am 4. Mai 1945 in Pinneberg einmarschiert sind, wurden eine Unmenge Akten hastig im Drosteipark verbrannt.“
Und dennoch quellen die Stellwände in den drei Räumen im Stadtmuseum über. Dokumente, Aktenauszüge, Fotos, Zeitungsausschnitte und kurze, selbstgeschriebene Zusammenfassungen machen deutlich: Der Nationalsozialismus war in Pinneberg fest verankert. „Es fand eine sehr starke Identifikation statt“, berichtet Domeyer. Und in der Hitler-Zeit entstand viel, was noch heute das Gesicht der Kreisstadt prägt: die Eggerstedt-Kaserne, der Rosengarten, das Freibad und die Sportanlagen.
Wie die im Dezember 1931 gegründete SS-Gruppe die 13 000Einwohner-Stadt im Griff hatte, wie die Situation an den Schulen und in den Sportvereinen war und wie sich die Lage der Einwohner darstellte — all das dokumentiert die Ausstellung. „Sie haben eine erstaunliche Fülle Material gesammelt, das hebt sich von der üblichen Geschichtsschreibung ab“, bescheinigte Ina Duggen, Leiterin des Stadtmuseums, den Chronisten.
Wer möchte, kann sich auch per Tonband oder anhand eines kurzen Videofilms über die damaligen Verhältnisse informieren. Oder er kann nachlesen, wie das Sondergericht Altona zahllose Bewohner der Stadt wegen Heimtücke oder Wehrkraftzersetzung aburteilte, etwa wenn jemand Fleisch beiseite geschafft hatte. „Ich hoffe, daß viele Jugendliche die Ausstellung besuchen. Der Rechtsruck in der Jugend ist bedenklich“, so Pinnebergs Bürgervorsteher Horst Hager (SPD).
Das Stadtmuseum ist montags bis freitags von 17 bis 19 Uhr und sonnabends von 11 bis 13 Uhr geöffnet. Donnerstags kann es von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden. Schulklassen können die Ausstellung nach Absprache mit der VHS auch außerhalb dieser Zeiten besuchen.
Am 10. und 29. September finden in der Landdrostei (Beginn: 19.30 Uhr) hochkarätig besetzte Vorträge über die Gestapo beziehungsweise die NS-Herrschaftsstruktur statt; der Eintritt kostet zwischen fünf und sieben Mark. Kostenfrei ist am 23. September und am 6. Oktober ab 19.30 Uhr an gleicher Stelle eine Zusammenstellung von Filmdokumenten über die Hitler-Zeit in Pinneberg zu sehen.