Dauerausstellung, Nationalsozialismus

Führerprinzip

Als auf einer Erwerbs­lo­sen­ver­an­stal­tung im „Oster­hol­der Quellen­tal“ im Janu­ar 1932 der KPD-Stadt­ver­ord­ne­te Wüs­t­hoff die anwe­sen­den Natio­nal­so­zia­lis­ten auf­for­der­te, für das dem Magis­trat vor­ge­leg­te Arbeits­be­schaf­fungs­pro­gramm zu stim­men, wur­de ihm aus der Men­ge geant­wor­tet, die Natio­nal­so­zia­lis­ten sei­en kei­ne Demo­kra­ten und wür­den nur den Anord­nun­gen ihres Füh­rers Fol­ge leisten.

Das anti­de­mo­kra­ti­sche Füh­rer­prin­zip, an Stel­le von Wah­len, war Kern­be­stand­teil der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie. Im Zuge der Durch­set­zung des Füh­rer­prin­zips trat an die Stel­le der Pin­ne­ber­ger Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung im Okto­ber 1933 zunächst ein drei­köp­fi­ger Ausschuss.

Ende 1933 setzt die NSDAP den „alten Kämp­fer“ Hein­rich Back­haus als Pin­ne­ber­ger Bür­ger­meis­ter ein. Am 1.2.1934 folg­te der Tisch­ler­meis­ter Alfred Krö­mer als NSDAP-Orts­grup­pen­lei­ter. Back­haus und Krö­mer übten in der Stadt Pin­ne­berg ab 1934 wesent­li­chen Ein­fluss aus, denn zum 1.1.1934 waren durch das Gemein­de­ver­fas­sungs­ge­setz Magis­trat und Stadt­ver­ord­ne­ten­kol­le­gi­um auf­ge­löst wor­den. Nach dem Füh­rer­prin­zip traf der Bür­ger­meis­ter jetzt alle Ent­schei­dun­gen in allei­ni­ger Verantwortung.

Zur Ver­tre­tung und Hil­fe­leis­tung konn­te der Bür­ger­meis­ter Bei­geord­ne­te her­an­zie­hen. Zum ers­ten Bei­geord­ne­ten berief Bür­ger­meis­ter Back­haus NSDAP-Orts­grup­pen­lei­ter Krömer.

Dane­ben soll­ten ver­dien­te und erfah­re­ne Rats­her­ren den Bür­ger­meis­ter bera­ten, dar­un­ter der obers­te ört­li­che Lei­ter der NSDAP und der Rang­äl­tes­te Füh­rer der Sturm­ab­tei­lun­gen oder der Schutz­staf­feln der NSDAP. Die Pro­to­kol­le der Rats­ver­samm­lun­gen bele­gen den kaum vor­han­de­nen Ein­fluss der Ratsherren.

Der Erlass der natio­nal­so­zia­lis­tisch gepräg­ten Deut­schen Gemein­de­ord­nung vom 30.1.1935 und die dar­auf basie­ren­de Haupt­sat­zung der Stadt Pin­ne­berg vom 1.12.1936 änder­ten an der Aus­wahl und den Auf­ga­ben der Pin­ne­ber­ger Bei­geord­ne­ten und Stadt­rä­te nichts. Neu war die Ein­rich­tung eines Beauf­trag­ten der NSDAP in der Gemein­de. Für die Stadt Pin­ne­berg war dies NSDAP-Kreis­lei­ter Schramm. Der Beauf­trag­te der NSDAP hat­te weit­rei­chen­de Befug­nis­se: Beru­fung und Abbe­ru­fung von Bür­ger­meis­ter, Bei­geord­ne­ten und Rats­her­ren (Rats­frau­en waren nicht vor­ge­se­hen), Erlass der Haupt­sat­zung sowie Ver­lei­hung oder Aberken­nung der Ehren­bür­ger­rech­te. Obers­tes Kri­te­ri­um für die Beru­fung zum Gemein­de­rat war die natio­na­le Zuverlässigkeit.

Schon früh hat­te Bür­ger­meis­ter Back­haus die Öffent­lich­keits­ar­beit als eines der wich­tigs­ten Pro­pa­gan­da­mit­tel des Natio­nal­so­zia­lis­mus ent­deckt. Als sich ers­te Erfol­ge bei Arbeits­be­schaf­fung und Sied­lungs­po­li­tik ein­stell­ten, orga­ni­sier­te Back­haus mit viel Auf­wand eine gro­ße Ein­woh­ner­ver­samm­lung am 28.1.1935 im Oster­hol­der Quellen­tal. Das Pin­ne­ber­ger Tage­blatt ver­öf­fent­lich­te sei­ne Rede in meh­re­ren Fol­gen im Wort­laut. Immer wie­der gaben Arti­kel die Inhal­te der Schu­lungs­aben­de wie­der, auf denen Back­haus die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ideo­lo­gie in Pin­ne­berg verbreitete.

Nicht weni­ge Pin­ne­ber­ger Bürger*innen betrach­te­ten die Arbeit von Karl Coors, sei­nem Nach­fol­ger im Amte des Bür­ger­meis­ters ab 1937, wohl auch des­halb mit Erleich­te­rung, weil die­sem das welt­an­schau­li­che Sen­dungs­be­wusst­sein völ­lig fehl­te. Erst nach Back­haus konn­te Orts­grup­pen­lei­ter Krö­mer eine gewis­se poli­ti­sche Bedeu­tung erlan­gen. Gegen­über Back­haus erschien selbst Kreis­lei­ter Schramm als eher nüch­ter­ner und ziel­ori­en­tier­ter Poli­ti­ker im Diens­te des Nationalsozialismus.