Zu den Aufgaben des 1735 gegründeten General-Landesökonomie und ‑Kommerzkollegiums in Kopenhagen gehörte auch das Sammeln und Auswerten von Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Regionen des Gesamtstaates. Diesem Kollegium verdanken wir vermutlich den ersten umfassenden „Wirtschaftsbericht“ über die Herrschaft Pinneberg.
Von Dieter Beig und Wolfgang J. Domeyer.
In einer Abhandlung für das Kollegium geben 1735 der Kanzleirat und Amtsverwalter J.W. Graba und der Kirchspielvogt Michael Lüttjohann einen Einblick in die einzelnen Vogteien, „in welchem Zustande sich selbige befinden, von welcher Beschaffenheit sie sind und welche Produkte darin vorhanden sind.“ Danach bildet die Landwirtschaft den Haupterwerb der Herrschaft Pinneberg. Von einer nennenswerten Kornausfuhr wird jedoch nicht berichtet, da der Boden nur sehr geringe Erträge lieferte. Als einziges „Produkt“, das ausgeführt wird, nennt der Bericht Torf, wobei befürchtet wird, dass durch das übermäßige Graben und Ausfahren schon in den nächsten Jahrzehnten ein fühlbarer Mangel eintreten werde. Besonders die Bier‑, Essig- und Branntweinbrenner benötigten große Mengen davon. Die Hauptabnehmer waren Altonaer und Hamburger Betriebe.
Seinen Niederschlag findet auch das gewerbliche Leben Pinnebergs: „Die Pinneberger Dingstätte besteht nur aus 30 Häusern. Es wohnen daselbst 14 Handwerker, Professionisten und Nahrungtreibende, nämlich zwei Schmiede, zwei Bäcker, ein Grützmacher, zwei Schlachter, drei Schneider, zwei Schäfter (vermutlich Stiefelmacher), zwei Barbierer. Es ist daselbst eine Wassermühle … Die übrigen Häuser sind von königlichen Beamten, ein paar Krugwirtschafttreibenden und ein paar Krämer bewohnt… Die Eigentümer auf der Dingstätte, die keinen Fußbreit gemeine Weide und etliche nur etwas Land haben, haben ihre Nahrung in Handwerk und Krügerei, großer Handel wird nicht getrieben. Die vor etlichen Jahren angelegte Apotheke ist in schlechtem Stande und sind schon drei Apotheker nacheinander darauf verdorben. Die Handwerker sind in fremde Gilden und Zünfte (zumeist in Altona) eingeschrieben.“ Für das benachbarte Pinnebergerdorf wird eine Holzsägerei aufgeführt.
Wenige Jahre später um 1750 wird ein Aufblühen des Ortes festgestellt, da nun drei Brauereien im Orte ihren Betrieb aufgenommen haben; am Ende des 18. Jahrhunderts ist dann von vier Bierbrauereien, von denen zwei auch Essig herstellten, und acht Branntweinbrennereien die Rede. Verbunden mit dem Aufblühen ist der Ausbau des Ortes. Der Fahltskamp wird angelegt an dessen Ende wahrscheinlich in dieser Zeit das Gasthaus „Stadt Hamburg“ entstand. Dies weist auf den sich entwickelnden Fremdenverkehr hin, über den es 1762 heißt: „Es besteht die Nahrung von Pinnebergs Einwohnern wohl mehrenteils im Sommer in dem Vergnügen der Hamburger, denn am Sonntag und Montag gehen diese wie Bienenschwärme nach Pinneberg und Rellingen.“
Gehemmt wurde die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes durch die Unschiffbarkeit der Pinnau und die damaligen Besitzverhältnisse. Alles Land gehörte zum Schlosse, also dem Landesherrn. Die „Dingstedter“ hatten die Schlossländereien nur gepachtet. Erst ab 1788 wurden diese zum Kauf angeboten und bis 1792 waren die ehemaligen Schlossländereien an insgesamt 77 Einheimische und Auswärtige verkauft. Erstmalig wird 1774 über den Versuch berichtet, auf der Dingstätte eine Fabrik zu errichten. Da Samuel Jacob Hanau aus Holland als Jude jedoch seinen Wohnsitz in Altona nehmen sollte, unterblieb die Gründung einer Fayencefabrik. 1797 erwarb der Altonaer Kaufmann Moritz Aufm Ohrt die erste Parzelle des Diekackers (Acker am Mühlenteich), warf die hier befindlichen Schlossfischteiche zu und errichtete eine Kattundruckerei: fünf Gebäude mit Bleiche, 40 bis 50 Drucker. Hohe Zölle und Transportkosten aufgrund der Unschiffbarkeit der Pinnau führten zur Schließung. Der neue Erwerber Hermann Nicolaus Gätjens brach alle Gebäude bis auf das dreistöckige Druckerhaus ab. Hierin gründeten er (seit 1807 Dingvogt), der Kirchspielvogt Johann Nicolaus Jensen sowie die Hamburger Kaufleute A. Knuffel und Zuckerbäcker H. Meyer 1809 eine Zuckersiederei. Die Mahnung des Landdrosten, dass keine Gewerbegenehmigung vorliege, veranlasste die Unter-nehmer zur Verlegung nach Altona.
Da die früheren Privilegien der Dingstedter — etwa das Recht, „bürgerliche Nahrung zu treiben“, dazu Freiheit von Einquartierungslasten — in Vergessenheit geraten waren, ersuchten sie 1801 um Erhalt ihrer alten Freiheiten. Als Flecken wurde Pinneberg 1811 offiziell wieder bezeichnet, aber erst 1826 erteilte der dänische König auf Antrag das Fleckenprivileg. Um 1824 — die Schrecken der Napoleonischen Kriege waren überwunden, lebten 900 Einwohner im Orte. Man zählte fünf Brauer, zwölf Brenner, dazu drei Grobschmiede, einen Kleinschmied (Schlosser), vier Schlachter, drei Bäcker, drei Grützmacher, sechs Schneider, sieben Schuster, zwei Barbiere, drei Zimmermeister, drei Tischler, drei Sattler, drei Kunstdrechsler, zwei Maler, einen Goldschmied, zwei Klempner, einen Uhrmacher, einen Maurer, vier Musikanten, einen Leinweber, einen Handelsgärtner, einen Färber, zwei Rademacher, zwei Böttcher und zwei Glaser, ferner sechs Gewürz- und Eisenwarenhandlungen, drei Gasthöfe, eine Wassermühle, eine Apotheke. Kurz danach wurde 1828 durch ein privates Kuratorium die „Spar- und Leihcasse der Herrschaft Pinneberg“ gegründet und durch Landdrost Ernst August v. Döring genehmigt. Trotzdem wird 1841 festgestellt: „Außer Brennereien ist in Pinneberg kein Gewerbebetrieb von Bedeutung.“ Pinneberg drohte durch den Bau der Chaussee Altona-Kiel 1832 sogar ins wirtschaftliche Abseits zu geraten. Bis dahin verlief die Postroute Hamburg — Kopenhagen durch Pinneberg. Nun führte die wirtschaftliche Hauptroute der Herzogtümer weit an Pinneberg vorbei. Dies änderte sich erst mit dem Bau der Eisenbahn 1844.