Pinneberg. Auf den Spuren der „Sommerfrischler“ anno 1900 lustwandeln und eine Reise in das Pinneberg um die Jahrhundertwende antreten, können Heimatinteressierte ab heute in dem alten Amtsgericht an der Pinneberger Dingstätte. Um 11 Uhr eröffnet die lang erwartete erste Ausstellung, die die Stadt Pinneberg gemeinsam mit dem Ortsverein Pinneberg des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes organisiert hat, in dem roten Backsteinhaus neben der Drostei. Das Haus, das vielleicht eines Tages Pinnebergs Heimatmuseum sein wird, lädt zu einem Bummel in die Vergangenheit der Kreisstadt ein.
Von Beatrice Schnurr
Mit dem Foyer betreten die Ausstellungsbesucher einen „Bahnhof“. Hier warten schon eine Dame und ein Herr auf die Abfahrt in den beliebten Kur- und Ausflugsort Pinneberg. Aus Holz gesägt, mit Originalkleidungsstücken aus der Jahrhundertwende bekleidet und mit sperrigen alten Gepäckstücken ausgerüstet, sind die „Herrschaften“ der erste Blickfang der Ausstellung.
Vom Bahnhof geht es linker Hand in den ersten Ausstellungsraum, hier informieren alte Karten über den Zielort, Fahrpläne weisen die Strecke aus, und ein geschichtlicher Rückblick in die „Zeit vor der Eisenbahn“ lässt den Reisenden der jüngeren Zeit auf atmen: Wie beschwerlich eine Fahrt in den Kurort mit der Postkutsche war, verdeutlichen Fotos und Pläne.
Mit Betreten des nächsten Raumes sind die Ausstellungsbesucher und ihre „Zeitgenossen von damals“ in Pinneberg angekommen. Hier stellt sich sogleich die Frage, in welchem Gasthaus Quartier bezogen werden soll. Etwa 30 Gasthäuser in der Kreisstadt werben um die Gunst der „Sommerfrischler“ und Ausflügler. Die Entscheidung fällt auf ein Gästezimmer mit Bett, Wandschmuck einem alten, gusseisernen Säulenofen sowie dem typischen Waschtisch.
Ein Blick aus dem „Fenster“ des Zimmers zeigt das „andere Pinneberg“ von anno dazumal: Qualmende Schornsteinschlote der Metallwarenfabrik Wupperman. Pinneberg hatte zwei Gesichter, die auch in der Ausstellung angedeutet werden: „Kurort zwischen Idylle und Industrie“ ist nicht von ungefähr der Untertitel der Ausstellung. Vom anheimelnden Gästezimmer mit dem kontrastreichen Ausblick führt die „Reise“ in den letzten Raum — nach draußen auf Pinnebergs Straßen und Plätze, in den Fahlt und in eine typische Gartenrestauration. Hier vor dem „Gasthof Eiche“ am Fahltskamp (heute steht dort das Kreiskrankenhaus) haben schon einige „Herrschaften“ in Sonntagskleidung auf weißen Klappstühlen Platz genommen.
Einkaufsbummel
Ein Bummel entlang der Schaufenster zeigt, welch modische Neuheiten bei Martin Meyer an der Dingstätte präsentiert werden. Die Papierhandlung Laubinger an der Lindenstraße preist Reiseandenken und Postkarten an, und beim Fotografen Theodor Schlüter kann ein Erinnerungsfoto geschossen werden. Ein Erlebnis besonderer Art sind die ländlichen Pferderennen. Sie werden um 1870 dort abgehalten, wo etwa 100 Jahre später das neue Rathaus entsteht. Zum Schwof am Abend laden schließlich die zahlreichen Pinneberger Vereine ein, die das gesellschaftliche Leben der Kurstadt stark bestimmen.
Pferderennen
Am nächsten Tag — mit Verlassen des letzten Ausstellungsraumes — geht es zurück. Die Ausflügler begeben sich zum Bahnhof und reisen ab — und für die Besucher ist das jetzt erreichte Foyer letzte Station der Vergangenheit, sie kehren zurück in die Gegenwart. Die „Reise nach Pinneberg“ hat die „Arbeitsgruppe Museum“ des Ortsvereines Pinneberg im Schleswig-Holsteinischen Heimatbund (SHHB) gemeinsam mit der von der Stadt beschäftigten Romy Steinmeier und mit gestalterischer Unterstützung d er Hamburger Ateliergemeinschaft „handwerk“ erarbeitet. Mitglieder des Pinneberger Heimatbundes werden die Ausstellung ehrenamtlich beaufsichtigen.
Pinneberger Tageblatt, 26.11.1988