Der Rohrstock liegt griffbereit auf dem Pult
Im Stadtmuseum zu erleben: Schule in der guten alten Zeit
dh Pinneberg — In weißen Kreidebuchstaben prangt es auf der großen schwarzen Schultafel:
„Herzlich willkommen!“ Doch sowohl die strenge Sütterlin-Schrift als auch der gefürchtete Rohrstock auf dem Katheder des Lehrers vermitteln eine Ahnung davon, daß es im Schulunterricht der „guten alten Zeit“ auch alles andere als herzlich zugehen konnte.
Das Klassenzimmer einer typischen einklassigen Landschule — komplett mit unbequemen Original-Sitzbänken, Griffeln, Tintenfässern und dem obligatorischen Kaiserbild an der Wand — bildet den Mittelpunkt einer Ausstellung, die ab heute im Stadtmuseum Pinneberg zu sehen ist.
Jede Menge Dokumente, Exponate und Schulmöbel aus der mehr als 200 Jahre alten Schulgeschichte Pinnebergs haben Museumsleiterin Ina Duggen und ihre ehrenamtlichen Helfer zusammengestellt. „Über 40 Pinneberger stellten uns Exponate aus ihren Privatarchiven zur Verfügung“, zeigt sich die Museumsleiterin erfreut.
Alte Lederranzen, Schiffermützen der Gymnasiasten, Fibeln und natürlich auch Schulhefte, Klassenbücher, Zeugnisse und Abschlußarbeiten sind dabei. Außerdem wird die Geschichte einzelner Pinneberger Schulen übersichtlich dokumentiert.
Eine Vorstellung von den eisernen Grundlagen der Erziehung in früheren Zeiten vermitteln die Schautafeln „Pädagogische Anleitungen von 1752 bis 1902“. Schulmeisterliche Aufsätze mit bezeichnenden Titeln wie „Wann ist das Prügeln erfordert?“ (1752) oder „Strafen ist natürlich, Belohnung künstlich“ (1890) lassen dem Besucher unwillkürlich einen Schauer über den Rücken laufen.
Proben aus Schönschreib- und Handarbeitsunterricht, für den die Mädchen früher auf einen Teil ihrer Rechenstunden verzichten mußten, zeugen von Geduld und Disziplin, aber auch von der Monotonie des Unterrichts in früheren Zeiten.
Zusätzlich zu dieser Sonderausstellung zum Thema Schule, die bis zum 2. November gezeigt werden soll, ist ab sofort auch die teilweise fertig gestellte Dauerausstellung über die Geschichte Pinnebergs zu besichtigen, die im zweiten Stock des Alten Amtsgerichts untergebracht ist. Exponate und Tafeln veranschaulichen die Entwicklung von der Vor- und Frühgeschichte über die Epoche der Schauenburger Grafen bis hin zur Kaiserzeit.
Besonders reizvoll: ein Stadtplan-Modell, bei dem die Besucher mit Hilfe verschiebbarer transparenter Pläne die Zustände in verschiedenen Epochen vergleichen können. Beide Ausstellungen sind dienstags bis freitags von 17 bis 19 Uhr und sonnabends von 11 bis 13 Uhr zu besichtigen.
Für Schüler der 3. bis 6. Klassen gibt es vom 23. September an ein spezielles museumspädagogisches Angebot: Sie können einen „Unterricht nach altem Stil“ in dem historischen Klassenzimmer erleben. Anmeldungen von Schulklassen nimmt die Museumsleitung unter der Telefonnummer 04101/207465 entgegen.
Pinneberger Zeitung, 3.9.1996
3. Sept. – 2. Nov. 1996