Dauerausstellung, Wirtschaft

Die Geschichte der Firma Wupperman

Hat­ten sich nach dem Eisen­bahn­bau 1844 ers­te Fabri­ken in Pin­ne­berg ange­sie­delt, so wirk­ten sich die poli­ti­schen Wir­ren 1848–1851 hem­mend auf die wei­te­re Wirt­schafts­ent­wick­lung aus.Neuer Schub ent­stand 1853 durch die Ein­glie­de­rung der Her­zog­tü­mer in das däni­sche Zoll­ge­biet, von dem Alto­na aus­ge­schlos­sen blieb. Nun wur­de Pin­ne­berg inter­es­sant für Ham­bur­ger Fir­men, die sich im däni­schen Zoll­ge­biet nie­der­las­sen wollten.

Von Johan­nes Seifert

Union-Eisenwerk 1856–1878: Gewinne und Gründerfieber

Eine die­ser Fir­men war Schul­te und Schem­mann, Groß­han­del mit eng­li­schem Stahl. 1856 grün­de­te Schem­mann zusam­men mit dem Metall­wa­ren­fa­bri­kan­ten Thiel an der Schau­en­bur­ger Stra­ße die Uni­on-Eisen­wer­ke zur Her­stel­lung ver­zinn­ter gestanz­ter Geschir­re. „Maschi­nen und ande­re Ein­rich­tungs­ge­gen­stän­de kamen meis­tens aus Eng­land; die eigent­li­che Stanz­werk­statt rich­te­te die Fir­ma Rum­mel & Phil­ip­pi, Strom­berg, ein und ver­pflich­te­te sich zur Aus­bil­dung der benö­tig­ten Fachleute.“

1857 litt auch Pin­ne­berg unter der ers­ten Welt­wirt­schafts­kri­se: „Man­che Fabri­ken und Geschäf­te muss­ten ein­ge­hen, neue Eta­blis­se­ments wur­den nicht gegrün­det und fast kei­ne Bau­ten unter­nom­men. Hier­zu kam die Besorg­niß, … dass die Zoll­gren­ze bis an die Eider wer­de ver­legt wer­den.“ Schon bald zog sich Schem­mann als Eigen­tü­mer aus der Fabrik zurück. Eine Zei­tungs­an­zei­ge von sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Arbei­tern deu­te­te im Janu­ar 1866 auf schlech­te Geschäfts­la­ge hin. Die Betriebs­kran­ken­kas­se sei auf­ge­löst, ihre Mit­tel aber von Besit­zer Thiel ein­be­hal­ten, anstatt sie der nun zustän­di­gen Orts­kran­ken­kas­se zu über­wei­sen. Wir dür­fen anneh­men, dass das Uni­on-Eisen­werk, das die Gebrü­der Mie­t­her 1868 kauf­ten, nicht son­der­lich bedeu­tend war.

Direk­tor des Unter­neh­mens wur­de jetzt der sozi­al enga­gier­te Theo­dor Mie­t­her. Er ver­an­stal­te­te für sei­ne Beleg­schaft Fes­te und die „dank­ba­ren Arbei­ter des Uni­on-Eisen­werks“ revan­chier­ten sich mit Lobe­s­an­zei­gen im Pin­ne­ber­ger Wochen­blatt. Das Geschäft sei­nes Lebens mach­te Mie­t­her jedoch mit der Lie­fe­rung von Hee­res­ge­schirr wäh­rend des deutsch-fran­zö­si­schen Krie­ges 1870/71. Der Fall von Paris wur­de im Janu­ar 1871 mit 101 Kano­nen­schüs­sen und fest­li­cher Illu­mi­na­ti­on in Mie­t­hers Gar­tens gefei­ert. Mie­t­her rich­te­te eine Betriebs­kran­ken­kas­se und eine Ster­be­kas­se ein und betä­tig­te sich auf kom­mu­na­ler Ebe­ne in der Ver­schö­ne­rungs­kom­mis­si­on und bei den Vor­be­rei­tun­gen zur Grün­dung einer Berufs­schu­le. In Zei­tungs­an­zei­gen wur­de er ermun­tert, für die städ­ti­schen Kol­le­gi­en zu kandidieren.

In der Fabrik wei­ger­te sich Mie­t­her im August 1871, die Löh­ne zu sen­ken, was die Arbei­ter wie­der­um mit einer Bei­falls­an­zei­ge quit­tier­ten. Auch kürz­te er schon vor der all­ge­mei­nen Fest­le­gung die täg­li­che Arbeits­zeit auf 10 Stun­den. Den Gip­fel sei­ner Popu­la­ri­tät erreich­te Theo­dor Mie­t­her 1872. Am 28. April war­te­ten abends gegen 8 Uhr an der Fle­ckens­gren­ze zu Rel­lin­gen „die sämmt­li­chen Arbei­ter des „Uni­on-Eisen­werk“, nach den ver­schie­de­nen Geschäf­ten ver­schie­den kos­tü­miert, mit Fah­nen, Later­nen und Fackeln, sowie eine unzäh­li­ge Mas­se Zuschau­er“, um das frisch ver­mähl­te Ehe­paar Mie­t­her zu emp­fan­gen und im Tri­umph­zug mit Kano­nen­schüs­sen und ben­ga­li­schem Feu­er zur Vil­la in der Schau­en­bur­ger Stra­ße zu gelei­ten. Anschlie­ßend bega­ben sich die Arbei­ter in den Gast­hof zur Eiche zu einem Fest­ball, der mit Anbruch des nächs­ten Tages immer noch kein Ende gefun­den hat­te. Das Wohn­haus am Eisen­werk emp­fand Mie­t­her nun als nicht mehr stan­des­ge­mäß und ließ sich 1872 die mit Abstand pracht­volls­te Vil­la Pin­ne­bergs am Fahl­ts­kamp 36 erbauen.

Wuppermansche Villa

Die Wup­per­man­sche Vil­la Fahl­ts­kamp 36, erbaut von Theo­dor Miether.

Am 8. Mai 1872 ver­kün­de­ten Zei­tungs­an­zei­gen die Umwand­lung der Fir­ma in eine Akti­en­ge­sell­schaft, um Mit­tel zur Errich­tung einer Email­le-Fabrik mit eige­nem Walz­werk zu sam­meln. „Unmit­tel­bar an der Alto­na-Kie­ler Eisen­bahn bele­gen, erleich­tert die gro­ße Nähe Ham­burgs den Export der Fabri­ka­te, sowie den bil­li­gen Bezug eng­li­schen Eisens und Koh­len. Der Absatz fin­det in Deutsch­land allein an cir­ca 3500 Kun­den, fer­ner durch Ham­burgs und Lübecks Expor­teu­re nach allen über­see­ischen Län­dern, ins­be­son­de­re aber nach Russ­land, Däne­mark und Schwe­den statt … Das Werk beschäf­tigt jetzt über 300 ein­ge­schul­te Arbeiter.“ 

wovon lebt Pin­ne­berg? Ant­wort: größ­ten­teils vom Union-Eisenwerk“

Im Sep­tem­ber 1872 drück­ten die Arbei­ter des Uni­on-Eisen­werks in einer Anzei­ge ihr gan­zes Selbst­be­wusst­sein aus: „Wer hat Pin­ne­berg auf die Stu­fe gebracht, auf der es jetzt steht ? Ant­wort: größ­ten­teils das Uni­on-Eisen­werk; wovon lebt Pin­ne­berg? Ant­wort: größ­ten­teils vom Uni­on-Eisen­werk …“ Zum Jah­res­en­de 1872 ver­an­stal­te­te Mie­t­her eine pracht­vol­le Weih­nachts­fei­er für die etwa 250 Kin­der der Arbei­ter in den Werk­hal­len und noch im Juli 1873 brach­ten sämt­li­che Arbei­ter Mie­t­her eine Ova­ti­on, die im Bahn­hofs­ho­tel mit einem Fest­ball bis zum nächs­ten Mor­gen endete.

Die ange­kün­dig­te Aus­wei­tung des Wer­kes aber fand nicht ein­mal im Ansatz statt, auch wenn die Pro­duk­ti­on ab 1872 von ver­zinn­tem auf email­lier­tes Geschirr umge­stellt wur­de. Ostern 1875 über­nahm Direk­tor Voss aus Ber­lin die Geschäfts­lei­tung des ange­schla­ge­nen Wer­kes. Am 20. Mai 1876 kam Theo­dor Mie­t­her in Unter­su­chungs­haft: „Der Bericht der Revi­si­ons-Com­mis­si­on ent­hüll­te Auf­stel­lung gefälsch­ter Bilan­zen, unrecht­mä­ßig ver­teil­ter Divi­den­den, Ver­schleu­de­rung des Ver­mö­gens der Gesell­schaft und eine trost­lo­se Sach­la­ge.“ Nach Eini­gung mit dem Haupt­gläu­bi­ger Schul­te und Schem­mann bekam die AG eine Gna­den­frist und muss­te 1878 end­gül­tig Kon­kurs anmel­den. Der Ret­ter der größ­ten Pin­ne­ber­ger Fabrik – Her­man Wup­per­man – aber hat­te schon 1876 sei­ne Arbeit im Uni­on-Eisen­werk aufgenommen.

Der Aufstieg eines großen Pinneberger Geschäftsmannes – Die Geschichte der Firma Wupperman, Teil II

Von Frank Neumann

Am 2. August 1878 kauf­te Her­man Wup­per­man das Werk und führ­te es unter sei­nem Namen wei­ter. Mit gro­ßen Schrit­ten moder­ni­sier­te und erwei­ter­te er die Fabrik zu einem der gro­ßen Email­lier­wer­ke Euro­pas. 2/3 der Pro­duk­ti­on der über 600 Mit­ar­bei­ter gin­gen in den Export. Die Jah­res­um­sät­ze lagen 1878 bei Über­nah­me des Wer­kes bei ca. 590.000 Mark, stie­gen dann kon­ti­nu­ier­lich 1880 auf 697.000 Mark, 1890 auf 2.240.000 Mark und lagen 1900 bei 3.183.000 Mark.

Wup­per­man wohn­te zunächst mit sei­ner Frau Emmeli­ne und den Söh­nen Her­man und Otto in der Vil­la im gro­ßen Park am Fahl­ts­kamp 36. Die beson­de­ren Ver­diens­te Her­man Wup­per­mans lagen zum einen in der Orga­ni­sa­ti­on einer moder­nen, am Welt­markt ori­en­tier­ten Emaill­e­fa­brik, zum ande­ren in den von ihm auf­ge­bau­ten Wohlfahrtseinrichtungen. 

Wupperman Emailleure

1. Okto­ber 1899: Die Email­leu­re der Fir­ma Wup­per­man im Ate­lier des Foto­gra­fen Theo­dor Schlü­ter in der Schau­en­bur­ger Stra­ße mit dem Bild des ver­un­glück­ten Her­man Wupperman.

Zwar bes­ser­te sich die Lage der Arbei­ter um 1890 durch die staat­li­che Sozi­al­ge­setz­ge­bung erheb­lich, aber Wup­per­man ging weit dar­über hin­aus. Fami­li­en­kran­ken­kas­se und frei­wil­li­ge Leis­tun­gen der Betriebs­kran­ken­kas­se ergänz­ten die Absi­che­rung in Not­fäl­len. Ande­re Maß­nah­men soll­ten die mate­ri­el­le Lage der Arbei­ter heben: Prä­mi­en, Betriebs­spar­kas­se, Miet­spar­kas­se, Koh­len­kon­sum­ver­ein und Fischhalle.

Gro­ßen Anklang fan­den die zahl­rei­chen Werks­woh­nun­gen an Pei­ner Weg, Her­man­stra­ße, Otto­stra­ße und Pris­dor­fer Stra­ße, deren Mie­te — wöchent­lich 2,90 M – 30% unter der in Pin­ne­berg übli­chen Mie­te lag. Wegen des hohen Frau­en­an­teils in der „Pott­bu­de“ rich­te­te Wup­per­man eine Koch- und Haus­hal­tungs­schu­le für die in der Fabrik arbei­ten­den Mäd­chen ein, die mit einer Spei­se­an­stalt und einer Kaf­fee­kü­che ver­bun­den war. Für die Töch­ter der Arbei­te­rIn­nen gab es Näh­kur­se, für die Söh­ne eine Hand­fer­tig­keits­schu­le. Klei­ne Kin­der wur­den in der War­te­schu­le betreut. Wup­per­man ließ die Turn­hal­le Lin­den­stra­ße erbau­en und spen­de­te den Altar für die Chris­tus­kir­che. 1893 sie­del­te die Fami­lie auf Wunsch von Frau Wup­per­man nach Düs­sel­dorf über. In dem tech­ni­schen Direk­tor Eugen Nem­nich und dem kauf­män­ni­schen Direk­tor Juli­us Lütt­gens hat­te Her­man Wup­per­mann Mit­ar­bei­ter gefun­den, die den Auf­stieg des Wer­kes nach sei­nen Vor­stel­lun­gen fort­füh­ren konn­ten. 1898 kam Wup­per­man auf tra­gi­sche Wei­se bei einem Eisen­bahn­un­fall um.

Ein Bericht von 1890 beschreibt die Email­le­pro­duk­ti­on bei Wup­per­man: Anfangs wur­den Stahl­ble­che in ver­schie­de­nen For­men vor­ge­schnit­ten, dann gestanzt und mit gro­ßen Hebel­pres­sen zu Hohl­ge­fä­ßen geformt. Anschlie­ßend pla­nier­te (glät­te­te) man sie mecha­nisch und glüh­te sie immer wie­der zwi­schen den ver­schie­de­nen Ver­ar­bei­tungs­sta­tio­nen, um das Mate­ri­al geschmei­dig zu hal­ten. In einem ande­ren Werk­raum stanz­te und press­te man die dazu gehö­ri­gen Hen­kel, Grif­fe und Mund­stü­cke. In mecha­ni­schen Werk­stät­ten (Schlos­se­rei und Klemp­ne­rei) ver­ar­bei­te­te man einen Teil der Geschir­re wei­ter. In der nächs­ten gro­ßen Hal­le wur­den die fer­ti­gen Gerä­te mit ver­dünn­ter Salz­säu­re gebeizt, dann getrock­net und anschlie­ßend ver­zinnt bzw. mit einer Grund­schicht für die Email­lie­rung ver­se­hen. Nach­dem die Gegen­stän­de eine Zeit im Tro­cken­raum lager­ten, brann­te man sie in Öfen und ver­sah sie in einer ande­ren Hal­le mit dem eigent­li­chen Email­le­über­zug. Nach wie­der­hol­tem Trock­nen erfolg­te eben­falls in Öfen das Bren­nen der Gerä­te, wobei die Email­le den Glanz und die Bestän­dig­keit erhielt. Die Email­le­mas­se wur­de an ande­rer Stel­le aus den ver­schie­de­nen Mine­ra­li­en mit Hil­fe von Tro­cken- und Nass­müh­len, Stampf­wer­ken, Quet­schen, Misch­ma­schi­nen und beson­de­ren Schmelz­öfen hergestellt.Die fer­ti­gen Geschir­re kamen in Sor­tier­hal­le, Lager­saal und schließ­lich Ver­pa­ckungs­hal­le, aus wel­cher sie direkt in Eisen­bahn­wag­gons auf dem Fabrik­gleis neben dem Bahn­hof ver­la­den wer­den konn­ten. Neben der Ver­pa­ckungs­hal­le befand sich die Werk­statt zur Her­stel­lung von ent­spre­chen­den Transportkisten.

1887 betrug der Wochen­lohn für Män­ner 18 Mark, für Frau­en 8,50 Mark

Der Auf­stieg der Fir­ma ist auch an den Löh­nen abzu­le­sen. 1887 betrug der Wochen­lohn für Män­ner 18 Mark, für Frau­en 8,50 Mark; 1906 lag der Tages­lohn bei Män­nern zwi­schen 2,50 und 6 RM, bei Frau­en zwi­schen 2 bis 2,50 Reichs­mark. Die Arbeits­zeit eines Tages glie­der­te sich 1906 wie folgt auf: 6.30–8.40 Arbeit; 8.40–9.00 Pau­se; 9.00–12.00 Arbeit; 12.00–13.30 Pau­se; 13.30–16.15 Arbeit; 16.15–16.30 Pau­se; 16.30–18.30 Arbeit. Bis zum Ende des 1. Welt­krie­ges galt der 10-Stun­den-Tag, 1918 wur­de der 8‑Stun­den-Tag ein­ge­führt. Die Errich­tung von Werk II an der Her­man­stra­ße 1903 opti­mier­te den Betriebs­ab­lauf. Das Werk wur­de zur „Her­man Wup­per­man GmbH“, Pro­duk­ti­on weiß email­lier­ter Küchen­ge­schir­re aus gepress­tem Stahl­blech. 1909 trat Her­man Wup­per­man juni­or in die Geschäfts­füh­rung ein, 1918 Otto Wup­per­man. Im 1. Welt­krieg pro­du­zier­te das Werk in gro­ßen Men­gen Rüs­tungs­gü­ter wie z. B. Koch­ge­schir­re, Feld­kes­sel, Trink­be­cher, Zünd­la­dungs­kap­seln, Hand­gra­na­ten­be­cher und Kar­tu­schen. Die Fabrik war voll aus­ge­las­tet, man­che Auf­trä­ge muss­ten abge­lehnt wer­den. Die Frau­en­ar­beits­zeit wur­de für die Rüs­tungs­pro­duk­ti­on ver­län­gert. 1917 grif­fen Hun­gerun­ru­hen von Ham­burg auf Pin­ne­berg über und es waren vor­wie­gend Wup­per­man- Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter, die am 26.2.1917 die Pin­ne­ber­ger Brot­lä­den stürmten.

Da Wup­per­man gut über den Krieg gekom­men war, setz­te auch bald nach Kriegs­en­de der Werks­woh­nungs­bau wie­der ein. Die poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen nach dem 1. Welt­krieg sorg­ten für Tur­bu­len­zen auf dem Welt­markt. Auch began­nen eini­ge der frü­he­ren Import­län­der, jetzt eige­ne Email­le­indus­trien auf­zu­bau­en. Die neue Situa­ti­on meis­ter­te die Fir­ma Wup­per­man jedoch erfolg­reich. 1925 wies das Werk mehr Mit­ar­bei­ter als je zuvor auf, näm­lich 725. Nie­mand konn­te ahnen, dass die Fir­ma schon bald vor dem Abgrund ste­hen sollte.

Als wichtige Rüstungsfirma in der Reichsbetriebskartei – Die Geschichte der Firma Wupperman, Teil II

Von Frank Neu­mann und Johan­nes Seifert

Im März 1928 wur­de die Fir­ma Wup­per­man bei gutem Geschäfts­gang in eine Akti­en­ge­sell­schaft umge­wan­delt. In der Welt­wirt­schafts­kri­se nach dem Schwar­zen Frei­tag am 24.10.1929 bra­chen Export­märk­te und der hei­mi­sche Markt zusam­men. In der Fol­ge wur­den Mit­ar­bei­ter ent­las­sen, Werks­woh­nun­gen und Turn­hal­le Lin­den­stra­ße ver­kauft und der Kin­der­gar­ten geschlos­sen. 1931 arbei­te­te nur noch die Metall­oxid­fa­brik an der Hermanstraße.

Luftbild 1962

Luft­bild 1962: Kurz dar­auf wur­den die Gebäu­de am Drostei­park abge­ris­sen und das Gelän­de mit Hoch­häu­sern bebaut.

Die Zahl der Mit­ar­bei­ter sank von 725 im Jah­re 1925 auf 280 im Jah­re 1935. So ver­wun­dert es nicht, dass Her­man Wup­per­man jr. in einem Schrei­ben an Bür­ger­meis­ter Back­haus am 23. Novem­ber 1936 die gerin­gen Aus­nut­zung des Wer­kes beklagt, „das mit sei­nem sehr aus­ge­dehn­ten Maschi­nen­park in der Lage ist, ver­schie­den­ar­tigst in das Stanz‑, Schweiß‑, etc. Ver­fah­ren fal­len­de Arbei­ten in gro­ßem Umfan­ge aus­zu­füh­ren.“ Außer­dem führ­te er aus, dass durch die Export­schwie­rig­kei­ten das Werk auf den Inlands­markt ange­wie­sen sei. Nach dem 1. Welt­krieg sei­en nen­nens­wer­te Men­gen an Alu­mi­ni­um-Feld­koch­ge­schir­ren und Feld­fla­schen an die Reichs­wehr gelie­fert worden.

Die unge­fäh­ren Aus­ma­ße der bei­den Wer­ke (Stadt­teil Pin­ne­berg und Pin­ne­ber­ger­dorf) belie­fen sich bebaut und unbe­baut auf ca. 312.000 qm. Fer­ner besaß das Werk ein moder­nes Gas‑, Was­ser- und Elek­tri­zi­täts­werk. Im 2. Welt­krieg erschien die Fir­ma Wup­per­man in der Reichs­be­triebs­kar­tei der beson­ders wich­ti­gen Rüs­tungs­be­trie­be mit 560 Beschäf­tig­ten, dar­un­ter auch Kriegs­ge­fan­ge­ne und Fremd­ar­bei­ter. Pro­du­ziert wur­den Feld­fla­schen, Feld­koch­ge­schir­re, Land­mi­nen, Zün­der, Muni­ti­ons­pack­ge­fä­ße aus Blech und Pan­zer­faust­tei­le. Die gro­ße Lager­hal­le an der Schau­en­bur­ger Stra­ße dien­te ab 1940 als „Beu­te­gut­sam­mel­stel­le“. Dazu das „Pin­ne­ber­ger Tage­blatt“ am 24.8.1940: „…Die mit der Eisen­bahn anrol­len­den Beu­te­gü­ter wer­den von Lade­glei­sen mit Kraft­wa­gen zu den Lager­hal­len gefah­ren. Die­se Trans­por­te … wer­den …. von Scha­ren von Jun­gens bela­gert, die jede sich bie­ten­de Gele­gen­heit nut­zen, um sich „Andenken“ zu besor­gen. So ver­schwin­den … beson­ders Stahl­hel­me, Patro­nen­ta­schen, Kop­pel, usw. …, von jetzt ab muss hier­ge­gen poli­zei­lich schärfs­tens ein­ge­schrit­ten und alle ermit­tel­ten Fäl­le zur Anzei­ge gebracht wer­den.“ Kurz nach Kriegs­en­de stürm­ten vie­le Pin­ne­ber­ger das Beu­te­gut­la­ger. Es wur­den Decken, Uni­for­men, Tor­nis­ter, Rie­men, Motor­rad­bril­len, Ess­be­stecke, Feld­fla­schen und ande­res Nütz­li­ches mit­ge­nom­men. So über­ra­schend die Plün­de­rung begann, so schnell wur­de sie auch wie­der been­det. Die Wach­or­ga­ne wuss­ten sich nicht anders zu hel­fen, als in die Hal­len Trä­nen­gas zu schießen.

Nach der Wäh­rungs­re­form am 21. Juni 1948 erleb­te Wup­per­man noch ein­mal einen Auf­schwung durch den Nach­hol­be­darf der Pri­vat­haus­hal­te (z.B. Saft­brä­ter, Sie­be, Kaf­fee­kan­nen etc.). Doch dann ging es in den 50er Jah­ren mit der Pro­duk­ti­on stän­dig berg­ab. Die Grün­de hier­für waren viel­fäl­tig, u. a. die Zunah­me von Elek­tro­her­den in den Haus­hal­ten, wofür Email­le­töp­fe weni­ger geeig­net waren, Ersatz von Email­le durch Alu­mi­ni­um und Kunst­stof­fe, immer gerin­ge­re Chan­cen zum Export von Email­le und email­lier­ten Gegen­stän­den. Dies spie­gelt sich auch in den Mit­ar­bei­ter­zah­len wie­der: 1951 noch 484 Mit­ar­bei­ter, 1953 414 Mit­ar­bei­ter und 1962 schließ­lich 200 Mitarbeiter.

1952 erwarb die Stadt Pin­ne­berg von Otto Wup­per­man den Was­ser­turm mit Was­ser­werk (1954 neu­es Was­ser­werk Pei­ner Weg) und das gro­ße angren­zen­de Gelän­de zwi­schen Bahn und Pris­dor­fer Stra­ße (ehe­mals Nah­erho­lungs­ge­biet „Wup­per­mans Park“). Hier ent­stand ab 1954 das ers­te neue Indus­trie­ge­biet. Am 31.03.1954 fei­er­te Fabrik­di­rek­tor Albert Krohn das 50jährige Arbeits­ju­bi­lä­um, der 1904 in die Fir­ma ein­ge­tre­ten war und mit sei­nen Fremd­sprach­kennt­nis­sen vie­le Geschäf­te im Aus­land abge­wi­ckelt hat­te. Am 19.07.1957 beging Otto Wup­per­man sein 40jähriges Jubi­lä­um an der Spit­ze des Pin­ne­ber­ger Betrie­bes. Am 08.04.1957 erhielt die Packe­rin Aman­da Behn­ke das Bun­des­ver­dienst­kreuz für 50jährige Tätig­keit bei der Fir­ma “Wup­per­man“.

Im Febru­ar 1962 berich­tet das „Pin­ne­ber­ger Tage­blatt“ „von ein­schnei­den­den Ratio­na­li­sie­rungs­maß­nah­men bei Wup­per­man. Durch neu­ar­ti­ge Brenn­öfen und die Kon­zen­tra­ti­on auf hoch­wer­ti­ge Geschir­re, z. T. aus Edel­stahl, benö­ti­ge die Fir­ma nur noch Bruch­tei­le der ursprüng­li­chen Arbeits­flä­che. Unver­än­dert lau­fe nur die Pro­duk­ti­on von Zinn­oxid und der Email­le­mas­se im Werk Her­man­stra­ße.“ Die ver­blei­ben­den 200 Mit­ar­bei­ter waren mitt­ler­wei­le auch mit der Her­stel­lung von Heiz­öl­be­häl­tern und der Fer­ti­gung von Elek­tro­ge­häu­sen beschäf­tigt. Um die Umstruk­tu­rie­rung und Moder­ni­sie­rung des Wer­kes zu finan­zie­ren, hat­te Otto Wup­per­man den Lin­den­kamp (heu­te Drost­ei­weg) an eine Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft ver­kauft. Schon vor­her hat­te Wup­per­man durch den Ver­kauf des Gelän­des Fahl­ts­kamp 36 der Stadt ermög­licht, in bes­ter Lage 1961 das ers­te Pin­ne­ber­ger Gym­na­si­um zu errich­ten. Beim Bau des Gym­na­si­ums wur­de dann die ehe­mals Mie­t­her­sche Vil­la Fahl­ts­kamp 36 abgerissen.

Aber auch die län­ger­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve des Rest­wer­kes als eigen­stän­di­ger Betrieb erschien den Inha­bern nicht mehr gesi­chert. Es wur­de noch 1962 an den Alto­na­er Gas­ofen­her­stel­ler Hal­ler-Meu­rer ver­kauft, dem aber ein zukunfts­fä­hi­ges Geschäfts­kon­zept fehl­te. In den städ­ti­schen Pla­nun­gen tauch­te schon 1965 eine stark ver­dich­te­te Wohn­be­bau­ung am Bahn­hof auf, die um 1970 als „Hal­ler-Meu­rer-Bau­pro­jekt“ hit­zi­ge Dis­kus­sio­nen in Pin­ne­berg ent­fach­te, aber um 1973 zu den Akten gelegt wur­de. 10 Jah­re spä­ter war das Rest­ge­län­de der Wup­per­man- Fabrik pla­niert und die Bebau­ung an Von-Ahle­feldt-Stieg und Rock­vil­le­stra­ße begann.

Auch heu­te sind im Stadt­bild noch Zeug­nis­se des lan­ge Zeit größ­ten Pin­ne­ber­ger Betrie­bes zu fin­den: die Wup­per­man-Sied­lung mit Denk­mal und Was­ser­turm, Res­te von Werk II an der Her­man­stra­ße, das Anstalts­ge­bäu­de (Koch­schu­le) an der Molt­ke­stra­ße, Turn­hal­le Lin­den­stra­ße und die Tief­zieh­pres­se vor der Kreis­be­rufs­schu­le. Es wäre zu wün­schen, dass die­se Zeug­nis­se Pin­ne­ber­ger Geschich­te in ihrer Eigen­heit erhal­ten und dau­er­haft gesi­chert werden.