Dauerausstellung, Nationalsozialismus

Politischer Neuanfang

Am 24.10.1948 fand die zwei­te Wahl eines Gemein­de­par­la­ments nach dem Krieg statt. Das Wahl­ver­fah­ren ent­sprach bereits der neu­en Deut­schen Gemein­de­ord­nung, die erst ein­ein­halb Jah­re spä­ter in Kraft trat.

Es gab nicht mehr 15 Kan­di­da­ten in jedem Wahl­be­zirk, wie bei der ers­ten Wahl 1946 nach bri­ti­schem Mus­ter, son­dern nur noch einen Kan­di­da­ten von jeder Par­tei. Es konn­ten auch nicht mehr bis zu drei Namen ange­kreuzt wer­den, son­dern nur einer und wer in einem der 13 Wahl­be­zir­ke die meis­ten Stim­men erhielt, galt als direkt gewählt. Die Stim­men für die nicht gewähl­ten Kan­di­da­ten wur­den für jede Par­tei zusam­men­ge­rech­net und dar­aus die 11 Lis­ten-Man­da­te nach dem Ver­hält­nis der gewon­ne­nen Wäh­ler­stim­men je Par­tei ver­teilt. Bei der Wahl 1948 errang die SPD in Pin­ne­berg wie­der die abso­lu­te Mehr­heit mit 13 Sit­zen gegen 6 der CDU und 5 der FDP. Die KPD ver­lor ihren bis­he­ri­gen Sitz, und auch die „Par­tei­lo­sen“, zumeist Hei­mat­ver­trie­be­ne, die bei der nächs­ten Wahl als Ver­tre­ter des „Bun­des der Hei­mat­ver­trie­be­nen und Ent­rech­te­ten“ (BHE) kan­di­dier­ten, blie­ben erfolglos. 

In der ers­ten Sit­zung der neu­en Gemein­de­ver­tre­tung wur­de Richard Köhn (SPD) als Bür­ger­meis­ter und damit Vor­sit­zen­der der Gemein­de­ver­tre­tung und des Haupt­aus­schus­ses wie­der gewählt. Stadt­di­rek­tor und damit Lei­ter der Stadt­ver­wal­tung blieb Lud­wig Duncker, er starb jedoch weni­ge Mona­te nach der Wahl. Im Sep­tem­ber wähl­te die Stadt­ver­tre­tung den Stadt­amt­mann Hen­ry Glissmann zu sei­nem Nach­fol­ger. Schon bald muss­te erneut gewählt wer­den, näm­lich nach dem Inkraft­tre­ten der neu­en Deut­schen Gemein­de­ord­nung am 1.4.1950. Sie fuß­te wie­der auf der alten schles­wig-hol­stei­ni­schen Magis­trats­ver­fas­sung, wie sie vor 1933 bestan­den hat­te. Damit wur­de die von den Bri­ten ein­ge­führ­te „Zwei­glei­sig­keit“ der Ver­wal­tung (mit dem ehren­amt­li­chen Bür­ger­meis­ter und dem haupt­amt­li­chen Stadt­di­rek­tor) abge­schafft. Zum neu­en Stadt­ver­ord­ne­ten­vor­ste­her, der jetzt „Bür­ger­vor­ste­her“ hieß, wähl­te man Wil­li Wulf, einen alt­ge­dien­ten Sozi­al­de­mo­kra­ten. Er war schon vor 1933 Stadt-Abge­ord­ne­ter gewe­sen. Der bri­ti­sche Mili­tär-Gou­ver­neur ernann­te ihn 1945 zum Stadt­ver­tre­ter und über­trug ihm das Amt des Vor­sit­zen­den des Ent­na­zi­fi­zie­rungs-Aus­schus­ses. Wegen sei­ner Fach­kennt­nis im Bau­ge­wer­be wur­de er jetzt aus­nahms­wei­se nicht nur zum Bür­ger­vor­ste­her son­dern auch zum Vor­sit­zen­den des in dama­li­ger Zeit beson­ders wich­ti­gen Bau-Aus­schus­ses gewählt.

In das Amt des Bür­ger­meis­ters, der nun wie­der der beam­te­te Ver­wal­tungs­chef war, wähl­te die Stadt­ver­tre­tung den bis­he­ri­gen Stadt­di­rek­tor Hen­ry Glissmann. Dem Magis­trat gehör­ten neben dem Bür­ger­meis­ter noch fünf Stadt­rä­te an, die aus der Mit­te der Stadt­ver­tre­tung gewählt wur­den. Ihnen oblag die Lei­tung der Ver­wal­tung „nach den Grund­sät­zen und Richt­li­ni­en der Stadtvertretung“.

Pin­ne­berg gehör­te damals noch zu den klei­ne­ren Mit­tel­städ­ten. Daher brauch­te man nicht unbe­dingt einen rechts­kun­di­gen Mann als Bür­ger­meis­ter, um so mehr jedoch in jener schwie­ri­gen Zeit einen grund­er­fah­re­nen Ver­wal­tungs­be­am­ten wie Hen­ry Glissmann, der nicht nur als aus­ge­zeich­ne­ter Ver­wal­tungs­chef galt, son­dern dar­über hin­aus ein Kom­mu­nal­po­li­ti­ker war, der über Pin­ne­berg hin­aus beim Städ­te­tag wie auch bei den Kie­ler Regie­rungs­stel­len hohes Anse­hen und Ein­fluss besaß. „In sei­ner Bür­ger­meis­ter-Zeit ist Pin­ne­berg durch sei­nen Wage­mut und sei­ne Vor­aus­schau auf allen Gebie­ten zu einer soli­den Mit­tel­stadt herangewachsen“

Wal­ter Rich­ter, in: Pin­ne­berg – his­to­ri­sche Streif­lich­ter, Klaus May: Die neue Stadt­ver­tre­tung und Bür­ger­meis­ter Glissmann, S. 278, VHS-Geschichtswerkstatt.