Dauerausstellung, Nationalsozialismus

Sport

Der „Turn‑, Spiel- und Schwimm­ver­ein Uni­on von 1888 Pin­ne­berg“ (TSS) war einer von den drei bür­ger­li­chen Sport­ver­ei­nen Pin­ne­bergs, die nach der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nah­me in Pin­ne­berg bestehen blie­ben, wäh­rend die sozia­lis­ti­schen Ver­ei­ne sich inner­halb weni­ger Mona­te auf­lö­sen mussten.

Der TSS gehör­te der „Deut­schen Tur­ner­schaft“ (DT) an, die bereits im März 1933 eine neue Füh­rung erhielt und „gleich­ge­schal­tet“ wur­de. Sie rief die Mit­glieds­ver­ei­ne zur Mit­ar­beit in der neu­en Bewe­gung auf und ver­füg­te die Ein­füh­rung des „Füh­rer­prin­zips“ anstel­le der demo­kra­ti­schen Vereinsstruktur.

For­mal wur­de bei der Neu­struk­tu­rie­rung den Vor­schrif­ten der „Deut­schen Tur­ner­schaft“ ent­spro­chen, doch an der per­so­nel­len Situa­ti­on änder­te sich im Grun­de nichts, auch war wei­ter­hin ent­ge­gen der Vor­schrif­ten vom Vor­stand die Rede, des­sen 1.Vorsitzender nach wie vor Ernst Paasch war.

In den Haupt­ver­samm­lun­gen san­gen die Teil­neh­mer wei­ter­hin die alten Tur­ner­lie­der „Getreu alle­zeit“ und „Tur­ner auf zum Strei­te“ anstel­le der neu­en NS-Kampf­lie­der. Laut Ein­heits­sat­zung des „Deut­schen Reich­bunds für Lei­bes­übun­gen“ (ab 1938 NSRL, Natio­nal­so­zia­lis­ter Reichs­bund für Lei­bes­übun­gen) muss­ten die neu­en Ver­eins­füh­rer vom Reichs­sport­füh­rer bestä­tigt wer­den. Da der Turn­leh­rer des TSS Kal­bow damals für kur­ze Zeit das Amt des „Kreis­ver­trau­ens­manns des Reichs­sport­füh­rers“ wahr­nahm, muss­te er mit sei­ner Unter­schrift Paasch in des­sen Amt bestä­ti­gen. So muß­te also der Ange­stell­te sei­nem Arbeit­ge­ber die Recht­mä­ßig­keit sei­nes Amts bescheinigen!

1933, nur weni­ge Mona­te nach­dem der TSS auf Anord­nung der DT eine Wehr­sport­ab­tei­lung ein­ge­rich­tet hat­te, deren Akti­vi­tä­ten vor allem Gepäck­mär­sche, Schie­ßen und Hand­gra­na­ten­wurf waren, kam der Befehl, sie wie­der auf­zu­lö­sen. Die SA woll­te die­se Kon­kur­renz nicht dul­den. Als Fol­ge wan­der­ten dann vie­le TSS-Wehr­sport­ler zur SA ab. Gleich­zei­tig wuchs auch die Kon­kur­renz ande­rer NS-Glie­de­run­gen mit eige­nen Wett­be­wer­ben und Leis­tungs­ab­zei­chen in denen zuneh­mend Sport getrie­ben wur­de. Dies galt vor allem für die Hit­ler­ju­gend, die auf die­se Wei­se immer mehr Jugend­li­che aus den Sport­ver­ei­nen abzog.

Als Fol­ge die­ser Ent­wick­lung ver­zeich­ne­te der TSS 1934 ins­ge­samt 196 Aus­trit­te gegen­über 145 Zugän­gen. Einen schwer­wie­gen­den Rück­schlag erfuhr der Turn­ver­ein durch das „Gesetz über die Hit­ler­ju­gend“ vom 1936. Alle Kin­der­turn­grup­pen zwi­schen 10 und 14 Jah­ren muss­ten sofort auf­ge­löst und in das Deut­sche Jung­volk (DJ) über­führt wer­den; für den TSS ein Ver­lust von 73 jugend­li­chen Mit­glie­dern! Turn­leh­rer Kal­bow aller­dings führ­te die Übungs­nach­mit­ta­ge sei­ner Ver­eins-Kin­der­ab­tei­lung unter dem Deck­man­tel „DJ-Turn­grup­pen“ wei­ter fort.

Im Sep­tem­ber 1937 war die Mit­glie­der­zahl des TSS auf 150 gesun­ken, weni­ger als die Hälf­te des Bestan­des im Mai 1933. Jetzt muss­te der Ver­ein Kal­bow als ehren­amt­li­chem Turn­leh­rer kün­di­gen. Den­noch war er bereit, 6 Turn­grup­pen gegen eine gerin­ge­re Auf­wands­ent­schä­di­gung wei­ter zu betreu­en. Bald nach Kriegs­be­ginn muss­te er die­se Tätig­keit ein­stel­len, da er zur Schutz­po­li­zei dienst­ver­pflich­tet wur­de. Danach konn­ten eini­ge Tur­ner den Übungs­be­trieb in der Män­ner- und Jugend­ab­tei­lung noch bis zum Herbst 1942 auf­recht­erhal­ten; die letz­ten Gym­nas­tik­aben­de einer klei­nen Frau­en-Turn­grup­pe fan­den bis kurz vor Kriegs­en­de statt.